Baumaterial ist knapp und deutlich teurer

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Für Handwerker und Händler ist die Lage eine "Katastrophe"

Baumaterial ist knapp und deutlich teurer

Von unserem Mitarbeiter Rainer Claßen.

Kreis Neuwied. Ende des vergangenen Jahres haben sich Erik und Sabine Schneider, die in Leubsdorf einen Dachdeckerbetrieb führen, erstmals über deutlich längere Lieferzeiten für Bauholz gewundert. Bald danach stiegen auch die Preise an. Seither hat sich die Lage drastisch verschärft.

Sabine Schneider erläutert: „Der Preis für Dachlatten ist inzwischen um 400 Prozent gestiegen. Und wir müssen derzeit bis viermal so lang auf die Lieferungen warten – wenn wir überhaupt etwas bekommen.“ Während die Preise explodieren, bleibt alles andere, wie es ist, hebt Sabine Schneider nur den einen Tag lang gültig sind. Da bleibt es: „Wer nicht sofort zum hohen Preis bestellt, schaut dann in die Röhre.“

Im Dachdeckerhandwerk vergehen derzeit zwischen Kundenanfrage und Fertigstellung des Auftrags oft mehrere Monate. Die bereits abgegebenen Angebote sind für die Unternehmen oft trotz der gestiegenen Preise bindend. Und Engpässe gibt es nicht nur beim Bauholz. Die Lage der Handwerksbetriebe wird zusätzlich durch die Knappheit bei anderen Baustoffen erschwert.

Baustoffhändler Germar Baumgärtel aus Oberbieber kannte eine solche Situation bisher noch nicht: „Wir erleben hier eine absolute Katastrophe. Meine Mitarbeiter sind fast ausschließlich damit beschäftigt, weiter verschärft sich die Lage beim Bauholz. Wir reden nicht von kleinen Schwankungen im Cent-Bereich, sondern über massive Preisanstiege.“

„Noch sind nicht alle Hochregale leer, doch gewöhnlich wird bei mir Baustoffhändler Baumgärtel viel mehr Konstruktionsholz gelagert.“ 


Runholz wird direkt im Wald in Container verladen und anschließend international verschifft. Das bringt einerseits höhere Einnahmen, als das Holz lokal zu verkaufen, andererseits haben die hiesigen Sägewerke keine Kapazitäten mehr frei. 


Für die Fehlentwicklung bei den Holzpreisen gibt es viele Erklärungsansätze. Da ist zum einen die riesige Nachfrage in den USA. Während der ersten Pandemie-Monate im Frühjahr und Sommer 2020 seien viele Amerikaner aufgrund von Lockdowns gezwungen gewesen, daheim zu bleiben und die Zeit für Umbauten zu nutzen. „Plötzlich wollten viele Amis Baumaterial haben und zwar sofort“, sagt Lothar Holzinger vom Großhändler Kluge. Das hat die Märkte leer gefegt und die Preise in die Höhe getrieben. Erschwerend kommt hinzu, dass die US-Regierung Strafzölle auf kanadische Bauholz-Importe erhoben hat. Die US-Hersteller konnten die Nachfrage nicht decken.

In Deutschland kam eine gute Nachfrage ebenfalls von Hobbyhandwerkern hinzu, die im ersten Lockdown die Zeit nutzten, um ihre eigenen vier Wände zu verschönern. Das alles führte dazu, dass sich die Situation auf dem deutschen Markt ab Herbst 2020 zugespitzt hat.

Die Folgen der Knappheit wirken sich nicht nur auf Handwerker aus, private Bauherren sind ebenso betroffen. Da die in der Regel keine festen Beziehungen zu Händlern haben, ist es für sie oft noch schwerer, an nötiges Material zu kommen. Muss etwa ein Rohbauholz werden, kann dies dramatische Folgen haben.


„Der Bauboom in den USA und China hat für eine sehr große Nachfrage nach Konstruktion- und sonstigem Schnittholz geführt“, erklärt Lothar Holzinger, Händler beim Baustoffgroßhändler Kluge.

Eine vergleichbare Nachfrage hatten wir in Deutschland noch nie“, meint Rolf Dornseifer von der EHS Holzland GmbH in Köln. Das Problem dabei ist, dass die Hersteller gar nicht so schnell nachkommen, wie die Nachfrage es erfordern würde. „Wir haben extrem hohe Lieferzeiten und die Preise steigen fast wöchentlich“, erklärt Dornseifer.


„Wir sind froh, dass wir derzeit noch Material haben. Wenn das allerdings verbaut ist, werden wir wohl auch in den Engpass geraten.“, sagt Erik Schneider. 

Quelle: Rainer Claaßen, Rhein-Zeitung, Ausgabe A (18.05.2021), Seite 15.